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Worum geht es in diesem Projekt?
Der Kurzfilm Himmelsreisen gibt Einblicke in den rituellen „Tanz“
der anatolischen Religionsgemeinschaft der Aleviten, den Semah (von
arabisch samāʿ: hören, auch Himmel). Der Semah ist der Höhepunkt
der Cem-Zeremonie bei der die „Einheit“ (Birlik) zwischen
Teilnehmern, Männer wie Frauen, und „Gott“ (Hak) angestrebt wird. Im Cem-Ritual
werden Unterschiede von Status und Geschlecht aufgehoben und die Gläubigen
begegnen sich als Canlar (Seelen).
Erst seitdem die Aleviten 1989 in Hamburg Takiye, das
Verstecken der eigenen Religion aufgaben, wird der Semah auch öffentlich
aufgeführt.[1]
25 Jahre später soll nun ein Kurzfilm entstehen, der zwei Perspektiven vereint.
Die eine ist die der 21-jährigen Gözde, die in der Dance Academy Köln Semah Kurse anleitet. Gözde hat Takiye
nie selber erlebt und kennt es daher nur aus Erzählungen. Öffentliche Auftritte
sind für sie normal. Die zweite Perspektive ist die eines alten „Tänzers“, der Semah
früher noch im Verborgenen praktiziert hat und heute ausschließlich im
rituellen Rahmen des Cem praktiziert.
Der Film zeigt anhand eines zentralen Elements des Alevitentums
die enorme Veränderung auf, die die Glaubensgemeinschaft in den letzten zwei
Jahrzehnten in Deutschland durchlebt hat. Ein Prozess, der noch längst nicht
abgeschlossen ist.
Außerdem ist der Film ein kleiner Schritt, der deutschen
Mehrheitsgesellschaft einen Einblick in eine Glaubenswelt zu geben, die schon
seit über vier Jahrzehnten Tür an Tür mit uns existiert und die entgegen aller Pauschalisierenden
und Zuordnungen zum Islam immer deutlicher ihre Eigenständigkeit als
Religionsgemeinschaft betont.
Weitere Informationen zum Alevitentum findet Ihr ganz unten.
Was ich brauche & Was Du bekommst
Ich brauche die Mittel für die Durchführung, also Geld. Da ich
genaue Angaben der Posten nicht ganz einfach vorhersagen kann, lege ich Euch
hier meine Schätzung offen:
•
Reisekosten und Verpflegung (ca. 4 x Münster Köln, 4 x
Münster Bergkamen) 300 €
•
Kamera (Canon 5D MarkIII 19€/Tag x 6) 114 €
•
Speichermedien (SD Karte, ext. Festplatte) 100-150 €
•
DVD-Produktion (500 Stück) 600 €
•
Weitere Kosten für die Postproduktion und anderes kann ich noch
nicht abschätzen, daher veranschlage ich pauschal 500 €.
Macht insgesamt 1700 €.
Aber natürlich hilft jeder weitere Euro über den Zielbetrag
hinaus, insbesondere bei kleinen aber Aufwendigen Schritten wie Übersetzungen
ins Deutsche (am liebsten auch ins Englische), Farbkorrekturen, Cover-Design
der DVD etc.
Als Dankeschön gibt es eines der Dankeschöns die Ihr in der
Spalte rechts seht. Außerdem halte ich Dich auf dem Laufenden was den
Fortschritt des Projekts angeht.
Wieso, weshalb, warum?
•
Das Projekt ist wichtig, da die Geschichte der Alevitischen
Selbstorganisation der letzten zwanzig Jahre eine Erfolgsgeschichte ist. Und
sie ist eine deutsche Geschichte. Dennoch ist sie außerhalb der Alevitischen
Community kaum bekannt. Während die Aleviten in der Türkei noch immer oft ihre
Religion verbergen müssen, sind sie in Deutschland als Religionsgemeinschaft rechtlich
anerkannt. Trotzdem werden unsere türkeistämmigen Mitbürger in Deutschland
meist pauschal als Muslime gesehen. Der Film will dieses Bild differenzieren
indem er einen Einblick in einen der wichtigsten Aspekte alevitischer
Glaubenspraxis gibt. Ein Aspekt in dem der Unterschied zum muslimischen Gebet
besonders deutlich wird.
•
Ich habe 2011 den ersten kurzen Film über die Alevitische
Gemeinde Unna in Bergkamen gedreht. Hızır sei Dank! Die Alevitische Gemeinde in Bergkamen wurde 2012
mitsamt eines 20-Seitigen Essay über das Alevitentum von der Alevitischen Gemeinde
Deutschland (AABF) e.V. auf DVD veröffentlicht. Mir ist aber wichtig zu erwähnen,
dass ich als Ethnologe/Religionswissenschaftler natürlich eine subjektive, aber
dennoch unabhängige Perspektive einnehme.
•
Warum solltet Ihr Vertrauen in das Projekt haben? Weil ich
bereits einen großen Teil der Recherche geleistet habe. Eine Protagonistin habe
ich bereits gefunden. Gözde Yildirim (siehe Bild oben) ist 21 Jahre jung und
wohnt im Bergischen Land. Sie leitet die Semah-Tanzgruppe der Dance
Academy Köln seit mehreren Jahren und tritt mit ihr auch öffentlich auf. Sie
wird uns erzählen, wie sie dazu gekommen istund was es für sie und ihre
Identität als Alevitin bedeutet. Auch die Alevitische Gemeinde Bergkamen bietet
wieder einen Zugang für mich, denn dank des Vertrauens das die Mitglieder mir
entgegen bringen, darf ich auch während der Cem-Zeremonie drehen.
Der
Film soll zuerst auf Filmfestivals laufen. Dann ist eine kleine DVD Auflage
vorgesehen und zuletzt wird er auch im Internet zu sehen sein
Andere Wege, wie man helfen kann
Jeder kleine Beitrag hilft bei der Verwirklichung des
Projekts. Wem das nicht möglich ist, der kann die Kampagne aber auf andere
Art unterstützen. Teilt sie auf Facebook, Twitter, Google+, oder schreibt einen
Brief an Eure reiche Tante und erzählt ihr von der super Idee! Oder redet einfach
drüber. Jeder Neugierige hilft am Ende weiter.
Wer steht hinter dem Projekt?
Ich. Mein Name ist Marcel Klapp. Ich habe an der Westfälischen
Wilhelms-Universität in Münster Ethnologie (NF Religionswissenschaft und
Geographie) studiert und beschäftige mich seit dem besonders mit der Visuellen
Anthropologie, sprich Film. Ich habe 2010 für meine Magisterarbeit in Nairobi,
Kenia, über Community-Medien geforscht und dort 2013 begonnen, an einem langen
Dokumentarfilm über ein Slum-Radio zu arbeiten.
Ein weiterer Schwerpunkt ist das Alevitentum in Deutschland.
Hierzu habe ich meinen ersten kurzen Film gedreht, der samt meines Essays zum
Alevitentum 2013 von der Alevitischen Gemeinde Deutschland (AABF) e.V.
veröffentlicht wurde. Über den Film habe ich weitere Kontakte knüpfen und
freundliche und offene Menschen kennen lernen können.
Ende 2013 habe ich die Masterschool für langen Dokumentarfilm
beim Dok-Filmer Horst Herz absolviert.
Außerdem arbeite ich in Teilzeit als Referent und Trainer für
Interkulturelle Kompetenz.
Infos zum Alevitentum
Noch immer werden unsere Türkei-stämmigen Mitbürger pauschal als
muslimische Integrationsverweigerer abgestempelt. In der deutschen Integrationsdebatte
werden die 400.000 bis 600.000[2] in Deutschland lebenden
Aleviten somit weiterhin häufig unter dem Paradigma der türkisch-islamischen
Synthese behandelt, die ihre Situation in der Türkei entscheidend prägt. In
ihrem Heimatland stellt die Gleichsetzung von türkischer Nationalidentität mit
dem sunnitischen Islam die Aleviten noch heute vor die Situation entweder
assimiliert oder gesellschaftlich ausgegrenzt zu werden. Daher haben sie lange Takiye
praktiziert, das Verbergen der eigenen Religion zum Selbstschutz. Auch die
Rituale fanden deshalb im Verborgenen statt und die Lehre wurde in erster Linie
mündlich weitergegeben, so dass sich eine reichhaltige poetische und
musikalische Kultur entwickelt hat.
Da das Alevitentum sich aus unterschiedlichen Einflüssen wie dem
Schamanismus der frühen Turk-Völker, dem Sufismus und dem schiitischen Islam
entwickelt hat[3],
wurde und wird Aleviten oft vorgeworfen, Häretiker zu sein. Sie sahen sich in
ihrer Geschichte, sowohl im Osmanischen Reich als auch in der Türkischen
Republik, häufig der Verfolgung ausgesetzt und nicht selten wurden regelrechte
Massaker an ihnen verübt. Das in der jungen Geschichte wichtigste ist der
Anschlag, der 1993 in der anatolischen Stadt Sivas stattfand. Ein aufgebrachter
Mob steckte ein Hotel in Brand, in dem ein Kongress zu Ehren des alevitischen
Poeten Pir Sultan Abdal abgehalten wurde und 35 Menschen starben in den
Flammen. In Folge dieses und weiterer Übergriffe entstand eine alevitische
Revival-Bewegung, die auch aktiv in und aus Deutschland heraus agierte.[4]
1989 wurde dann in Hamburg zum ersten Mal Takiye gebrochen
und eine Cem-Zeremonie so wie der Semah öffentlich aufgeführt.
Mittlerweile sind die Aleviten in Deutschland rechtlich als
Religionsgemeinschaft anerkannt. Ihre dem Menschen zugewandte Lehre, die
Betonung der Geschlechtergleichheit und der Menschenrechte, die nahezu
deckungsgleich mit dem deutschen Wertekatalog ist, hat den Schritt zur
Anerkennung maßgeblich begünstigt. In nahezu jeder Stadt gibt es kleine
Ortsvereine und viele davon akzeptieren den Dachverband, die Alevitischen
Gemeinde Deutschland e.V. (AABF), als politische Vertretung. Auch Alevitischer
Religionsunterricht wird bereits in einigen Bundesländern abgehalten. Das erste
Mal überhaupt in der alevitischen Geschichte.
Trotz dieser Erfolgsgeschichte und trotz ihrer nicht geringen
Zahl sind die Aleviten vielen Mitbürgern in Deutschland nahezu unbekannt. Der
Film soll daher einen kleinen Beitrag leisten, dem entgegenzuwirken, und gibt
einen Einblick in die alevitische Ritualpraxis des Semah.
Bedeutung des Semah
Eigentlich ist der Semah nicht als Tanz, sondern eher als
Gebet zu verstehen, weshalb man auch von „Semah gehen“ spricht. Die
Musik der Bağlama, der Langhals-Laute, zu der Lieder der großen Heiligen
und Dichter gesungen werden, geben den Rhythmus des jeweiligen Semah vor.
Es gibt verschiedene Choreographien die verschiedene Bedeutungen haben. Bei den
meisten drehen die Teilnehmer sich im Kreis und um die eigene Achse was die
Planeten, die sich auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne drehen, symbolisiert.
Diese wiederum wird auch mit Gott und dem Propheten Muhammed assoziiert mit
denen letztlich die Vereinigung in himmlischer Harmonie angestrebt wird. Der
Ursprungsmythos des Semah erzählt davon, dass Muhammed nach seiner
„Himmelsreise“ (Miraç) an der Versammlung der „Vierzig Heiligen“ (Kırkların Cemi)
teilgenommen hat.[5]
Dieser Mythos lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Gott hatte Muhammed aufgetragen, auf dem Rückweg von
seiner Himmelsreise die Pforte der Vierzig Heiligen zu besuchen und Einlass zu
begehren. Dem folgend stellte Muhammed sich als Gottgesandter vor, doch der
Eintritt wurde ihm verwehrt. Auch beim zweiten Versuch blieb die Pforte
verschlossen. Er versucht es erneut. Dieses Mal stellt er sich als Hüter der
Armen und Waisen vor und die Türe öffnet sich. Er fragt: Wer seid ihr?“ Die
Heiligen Antworten: „Wir sind die Vierzig Heiligen.“ Daraufhin will Muhammed
wissen: „Wer ist euer Oberster, wer ist euer Niedrigster?“ Die Antwort lautet:
„Wir sind alle eins.“[6]
Nachdem Muhammed sich, ohne ihn zu erkennen, neben Ali gesetzt
hat, der auch unter den Heiligen ist, fragt er: „Aber einer fehlt, ich kann nur
39 zählen, wo ist er?“ Er erhält als Antwort: „Das ist Selman, er ist auswärts
und sammelt Gaben. Auch er ist hier, betrachte ihn als anwesend.“ Muhammed
bittet die Vierzig, ihm dies zu beweisen, woraufhin Ali seinen Arm ausstreckt
und einer der Anwesenden ihm einen Schnitt zufügt. In dem Moment da Ali zu
bluten anfängt, tun dies auch alle anderen und durch ein offenes Fenster fällt
das Blut des abwesenden Selman. Alis Blutung wird verbunden und auch die
Blutung aller anderen wird gestillt.
Dann erscheint Selman, der Muhammed eine Traube reicht und ihn
bittet, sie unter den Vierzig aufzuteilen. Während der Prophet sich Gedanken
macht überbringt Gabriel ihm eine Botschaft Gottes. Dieser folgend zerdrückt
Mohammed die Traube und die Vierzig trinken von dem Saft und sind „berauscht“
wie bei der Schöpfung. Sie stehen auf und beginnen den Semah zu gehen,
der in göttliches Licht getaucht wird. Während des Semah fällt Mohammeds
Turban zu Boden und bricht in Vierzig Streifen, die sich die Heiligen um die
Hüfte binden.[7]
Die Klimax fasst Handan Aksünger wie folgt zusammen: „Später fragt Muhammed
nach ihrem pir (Leiter) und ihrem rehber (Wegweiser). Die Vierzig
sagen, zweifelsohne sei Ali ihr pir und Gabriel ihr rehber. Nun
bemerkt Muhammed, dass auch Ali unter ihnen ist. Ali kommt auf Muhammed zu, und
als Muhammed ihn erkennt, bietet er ihm einen Platz an. Die Vierzig schließen
sich Muhammed an und verneigen sich vor Ali.“[8]
Einige
Formen des Semah werden nach ihrem Herkunftsort bezeichnet (Sivas-Erzincan
Semahı, Tokat-Turhal Semahı, Hubyar Semahı, Fetihye Semahı), andere tragen
die Namen alevitischer Heiliger oder Dichter (Yahızır Semahı, Kırklar
Semahı, Has Nenni Semahı). Ein Motiv das sich ebenfalls häufig wiederfindet
ist der Kranich, dessen Flug nachgeahmt wird (Turna Semahı).[9]
[1] Vgl.
Sökefeld 2008:23
[2] vgl.
Sökefeld 2008:32
[3] vgl.
Sökefeld 2008:10ff.; Eißler 2010:6
[4] vgl.
Sökefeld 2008:20ff.
[5] vgl. Aksünger 2010:88
[6]Interview mit Dede Metin Erdoğan 02.2012
[7]vgl. Aksünger 2010:ebd.
[8] vgl.
Aksünger 2010:ebd.
[9] Vgl. Homepage bdaj.de
Literatur
Aksünger, Handan (2010): Eine Ethnologische Interpretation des Cem-Rituals. In: Eißler, Friedmann (Hg.): Aleviten in Deutschland. Grundlagen, Veränderungsprozesse, Perspektiven. Berlin: Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen.
Eißler, Friedmann (2010): Einleitung. In: Eißler, Friedmann (Hg.): Aleviten in Deutschland. Grundlagen, Veränderungsprozesse, Perspektiven. Berlin: Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen.
Eißler, Friedmann (Hg.): Aleviten in Deutschland. Grundlagen, Veränderungsprozesse, Perspektiven. Berlin: Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen.
Sökefeld, Martin (2008): Einleitung: Aleviten in Deutschland. Von takiye zur alevitischen Bewegung. In: Sökefeld, Martin (Hg.): Aleviten in Deutschland. Identitätsprozesse einer Religionsgemeinschaft in der Diaspora. Bielefeld: Transcript.
Internet:
Kahraman, Yilmaz (2014): Saz, Semah und tanz bei den Aleviten. (http://www.bdaj.de/index.php?option=com_content&view=article&id=133:saz-semah-und-tanz-bei-den-aleviten&catid=97:artikel&Itemid=306; Stand: März 2014).
Weiterhin:
Eigenes Interview mit Metin Erdoğan Dede. Februar 2012.